Segeltörn in den nördlichen Kykladen vom 07.-13. Mai 2022

Ein Bericht von Uwe B.

07.05. Ankunft in Athen, leider fehlte ein Koffer – der wurde in ein anderes Flugzeug verladen. Es wurde uns aber versprochen, dass der noch am selben Tag ankommen und in die Marina gebracht werden würde – was auch gegen 22 Uhr tatsächlich passiert. Ein Taxi vom Flughafen zur Marina Lavrion kostet 50€ und dauert eine gute halbe Stunde. Nach Ankunft gleich die nächste Überraschung: unser bei „Multihull-Yachting“ gechartertes Boot, eine Bavaria Cruiser 41, ist gar nicht verfügbar. Offenbar musste die Vorcrew sie wegen zu starkem Wind auf einer der Inseln lassen und ist mit der Fähre zurück gefahren. Kein Problem, wir bekommen eine recht neue Dufour 460 als Ersatz.

Der Preis bleibt gleich, aber die Kaution soll doppelt so hoch sein. Nach längerem Verhandeln bleibt die Kaution wie sie ist. Das Schiff „Nearchos“ macht einen guten, sauberen Eindruck, die Übergabe verläuft ohne Probleme. Wir kaufen im kleinen Supermarkt „Albatros“ direkt in der Marina ein. Das ist zwar etwas teurer als im ca. 2,5km entfernten „myMarket“, aber dafür müssen wir nicht fahren und die Einkäufe werden direkt zum Boot gebracht.Da wir planen, meistens Abends essen zu gehen und unser Getränkekonsum eher moderat ist, sind unsere Vorräte schnell verstaut. Wir sind zu viert, 3 geübte Segler mit Skippererfahrung: einmal SSS, zweimal SKS und ein erprobter Mitsegler. Skipper ist diesmal ein SKS. Wir sind in verschiedenen Zusammensetzungen schon zusammen gesegelt und wollen diesmal ein Revier mit viel Wind ausprobieren.

08.05. Nach dem Frühstück machen wir das Boot seeklar und laufen aus. Der Wind weht aus NO mit 12-17 Knoten. Den Plan, gegenan bis zur Nordspitze von Makronisos aufzukreuzen, geben wir gleich wieder auf: Das Boot ist zwar mega komfortabel ausgestattet (4 Kabinen mit eigener Nasszelle und Toilette, 3 Kühlschränke, Watermaker etc.), leider ist auch die Besegelung offensichtlich nach Komfort ausgesucht worden: die Selbstwenderollfock ist zu klein und die Holepunkte total ungeeignet, um das Vorsegel auf irgendeinem Kurs vernünftig einzustellen. Also drehen wir auf Südkurs und segeln an der Südspitze von Makronisos vorbei und dann am Wind Richtung Korissia auf Kea. Der kräftige Wind mit 20-25 Knoten sorgt für eine schnelle Reise und die zusätzlich durch ein Want nach hinten geschorene Schot verleiht dem Vorsegel eine halbwegs brauchbare Form. In Korissia gibt es eine Doppelbucht. Beide Teile, der nördliche und der südliche bieten guten Schutz vor dem meist nördlichen Wind. Wir inspizieren beide Buchten und entscheiden uns für die südliche und legen uns mit Buganker und Heckleinen an die Hafenmauer. Dort gibt es Strom und Wasser, Cafés, Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten. Wir leihen uns ein Auto und fahren nach Ioulis.

Dieses Dorf liegt malerisch an einem steilen Berghang und macht den Eindruck, als sei man in die Filmkulisse von „Mamma Mia“ geraten. Dort essen wir auch zu Abend und wandern noch zum „Lion of Kea“, einer mehr als 2.600 Jahre alten Steinskulptur. Tageslogge: 17,7 sm

09.05. Über Nacht hat der Wind weiter aufgefrischt und bläst beim Ablegen mit 25 Knoten. Wir ziehen wasserfeste Kleidung und später auch Schwimmwesten und Lifebelts an. Das kannten wir bisher vom Segeln in Griechenland nicht. Unser Ziel heute: Batsi(on) auf Andros. Auf dem Weg dahin bekommen wir genau die Bedingungen, die wir uns gewünscht haben: herrlich blauer Himmel, viel Sonne und noch mehr Wind.

In den „Kanal“ zwischen Euböa und Andros bläst er mit 35-40 Knoten genau aus NO und baut 3-4 Meter hohe Wellen auf, von denen einige auch von vorn nach achtern über das Boot waschen, so dass wir die Eingangsluke schließen müssen. Wir haben Vor- und Großsegel jeweils nur ca. 1-1,5m gesetzt zur Stabilisierung. Besonders sturmtauglich sind die Segel nicht. Ausgerechnet jetzt bemerken wir, dass der Aufrollmechanismus der Fock unklar ist: die Bolzen der Haltelaschen fehlen, so dass die Rolle nicht mehr fixiert ist und auch langsam nach oben rutscht. Mit ein paar Zeisingen reparieren wir den Aufroller notdürftig – eine aufregende Aktion mit viel Wasser von vorn und Böen über 40 Knoten.

Zur Sicherheit rollen wir die Fock ganz ein und lassen nur etwas Großssegel zur Stabilisierung stehen und fahren unter Motor bis nach Batsi. Unterwegs telefonieren wir mit dem Vercharterer und schildern das Problem. Mittlerweile ist auch der Steuerbord-Bugkorb aus seiner Halterung gesprungen, hängt aber zum Glück noch an der Reling. Die Fahrt wird lang: trotz des 55 PS-Motors kommen wir gegen Wind und Wellen nur langsam vorwärts und es dauert mehrere Stunden, bis wir Batsi erreichen. Wir machen mit der Steuerbordseite an der Außenmole des Hafens fest, da der NO-Wind voll auf die Innenseite drückt. Der Anleger bei derart starkem Wind ist schwierig und gelingt erst im 4. Anlauf. Beim 2. ist bereits ein Festmacher über Bord gegangen, den wir später beim Schnorcheln wieder einsammeln. Auf der Pier erwartet uns eine 3 köpfige Servicetruppe, die unsere Fock und den Bugkorb reparieren. Auf der restlichen Reise haben wir damit keine Probleme. Nach Reparatur und Schwimmen wandern wir auf etwas wackeligen Beinen durch den Ort und essen in einem der netten Fischrestaurants direkt am Wasser zu Abend. Tageslogge: 31,3 sm

10.05. In der Nacht stürmt es weiter heftig, so dass wir mehrmals raus müssen, um schlagende Taue festzubinden und das Boot ruckt heftig an seinen 4 Landleinen. Ein Sprung in das herrliche klare Wasser der Ägäis und danach ein frischer Kaffee am Morgen lassen die Nacht zum Glück schnell vergessen. Der Wind flaut auf 25-30 Knoten ab und nur unter „Sturmfock“ und blauem Himmel laufen wir vor achterlichem Wind mit 7-8  Knoten nach Süden, Richtung Syros. Der Wind wird kontinuierlich weniger und weht nach ungefähr 3 Stunden nur noch mit 6 Knoten. Wir nutzen die Ruhe, um die Reparatur der Fock zu testen – alles gut – und um das Großsegel mehrfach aus- und einzurollen, das sich gestern während des Sturms ziemlich in seinen Rollmechanismus verklemmt hat und nur mit (zu) viel Kraft bewegt werden konnte. Offensichtlich haben wir beim Einrollen die Dirk zu stramm gefahren, so dass sich Falten gebildet und beim Einrollen verklemmt haben.

Unser Ziel, der kleine Hafen von Phoiniki liegt im Süden von Syros, etwas nördlich von Posidonia und ist gut gegen Winde aus N geschützt. Es gibt hier auch eine schöne Ankerbucht. Wir liegen vor Buganker und Heckleinen an der Außenseite der Nordmole und bereiten uns auf das nächste Segelabenteuer vor: wir haben für diese Reise einen Gennaker ausgeliehen und laut Windvorhersage ist morgen ein guter Tag, um das große Leichtwindsegel auszuprobieren. Nach dem Studium mehrerer Youtube-Videos von YACHT tv dazu breiten wir den Gennaker auf der Pier aus und verpacken ihn mit den Ecken nach oben, damit wir ihn morgen schnell setzen können. Entlang der Bucht von Phoiniki gibt es einige nette Restaurants, von denen wir eines nach einer kleinen Wanderung für unser Abendessen aussuchen und nicht enttäuscht werden.

Tageslogge: 35,0 sm

11.05. Perfekte Bedingungen für unser Gennaker-Experiment: der Wind weht mit 10-15kn Wind aus NNO, die Sonne scheint und der Himmel ist wolkenlos. Wir lassen uns mit den Vorbereitungen für das Gennakersetzen Zeit. Auch bei wenig Wind wirken auf die ca. 80 qm Segelfläche enorme Kräfte und daher wollen wir alles beim ersten Mal richtig machen. Es klappt auch alles wie geplant, wir haben zwar nur eine Schot geschoren, da wir auf dem aktuellen Kurs nicht Halsen müssen ist das kein Problem.

Segeln kann so schön sein!! Mit dem großen bunten Leichtwind-Segel unter dem strahlend blauen Himmel und inmitten von Wellen, auf denen die Sonne glitzert, fliegt unser Schiff mit über 8 Knoten dahin. Unzählige Fotos und Videos entstehen. Viel zu schnell haben wir die Strecke bis Kythnos hinter uns und müssen den Gennaker wieder bergen. Es wird ohnehin Zeit: der Wind hat kontinuierlich aufgefrischt und weht jetzt mit über 20 Knoten. Dank guter Vorbereitung gelingt das Bergen auch bei kräftigem Wind: 2 Mann nach vorn zum Einsammeln, 1 wirft die Schot los und fiert das Fall, 1 am Ruder, um den Winkel relativ zum Wind auch bei den Wellen einzuhalten. Ohne nass zu werden verschwindet das Segel wieder in seinem Sack und wir sind sehr stolz und sehr froh, dass alles so reibungslos geklappt hat. Unter Fock und Groß segeln wir weiter bis in den Schutz der Bucht Ag. Stefanou, wo wir die Segel bergen und dicht an der Küste nach Norden motoren, bis nach Loutron, unserem Zielhafen für heute. Der Hafen klein und bereits recht voll, wir erreichen den Hafenmeister auf Ch11 und der weist uns einen Platz an der Hauptmole zu, wo wir – mittlerweile routiniert – vor Buganker und Heckleinen festmachen.

Es gibt auch Möglichkeiten zum Ankern: direkt nördlich des Hafens und weiter südlich die schöne geschützte Bucht von Agia Eirini. Ein „heißer Tipp“ für Loutron: es gibt westlich des Ortes eine vulkanische Quelle, aus der heißes, eisenhaltiges Wasser sprudelt, das am Südende des kleinen Sandstrandes ins Meer fließt. Dort gibt es ein natürliches Becken, in dem sich Quellwasser und Meerwasser mischen und es ist herrlich, in dem warmen Wasser zu baden. Offensichtlich hat ein Investor in den 70 und 80er Jahren versucht, damit Geschäfte zu machen. Davon zeugt die imposante Fassade des ehemaligen Kurhotels, die den Anblick der Bucht prägt. Leider ist das weitläufige Gebäude mittlerweile aufgegeben und verlassen taugt nur noch als Kulisse für „lost place“-Fotos. Tageslogge: 28,8 sm

12.05. Sehr entspannter Segeltag: die Sonne scheint, der Wind weht mit 13-18 Knoten aus N. Nachdem wir unter Motor bis zum nördlichen Kap der Insel Kytnos gefahren sind, setzen wir Segel und genießen die gemächliche Reise an der Südspitze von Kea vorbei bis in die Bucht von Sunion, wo wir unterhalb des Poseidontempels vor Anker gehen.

Mit dem Dinghi fahren wir an Land und besichtigen den Tempel und die Reste der vorchristlichen Festung. Von diesem Ort, an dem sich der antike König Ägios ins Meer gestürzt haben soll und damit dem Meer seinen Namen gab, hat man einen fantastischen Blick über die vorgelagerten Inseln und auf unser Boot, wie es in der malerischen Bucht liegt.

Abends, als wir wieder an Bord beim Sonnenuntergang unseren Apero genießen, sehen wir genau dort unzählige Touristen stehen und fotografieren und versuchen uns vorzustellen, auf wie vielen Fotos wir mit unserem Boot in diesem Moment verewigt werden. Tageslogge: 27,6 sm

13.05. letzter Segeltag: nach dem Schwimmen in der schönen Bucht und einem fantastischen Frühstück mit allen Resten, die wir noch haben, gehen wir Anker auf und segeln noch einen Schlag nach SE, bevor wir nach NE aufkreuzen und in der Bucht von Ormos Passalimani zum letzten Mal die Segel bergen und über Mittag vor Anker gehen, um zu schwimmen und die zu Ende gehende Zeit auf dem Boot zu genießen. Aber es hilft ja nichts, gegen 15 Uhr müssen wir die kurze Rückreise antreten und fahren die 2,5 sm bis zur Olympic Marina von Lavrion unter Motor. In der Einfahrt warten schon mehrere Boote, um zur Tankstelle fahren zu können. Dort ist es aktuell sogar noch enger als sonst, da gerade Baggerarbeiten stattfinden, um die Einfahrt zu verbreitern.

Der Hafenmeister, bei dem man sich auf Ch 9 anmeldet, bevor man in den Hafen fährt, ruft die Schiffe zur Weiterfahrt auf, wenn sie an der Reihe sind, so dass man einigermaßen entspannt warten kann. Wir tanken 72l Diesel, was für unsere insgesamt 21 Motorstunden einen passablen Verbrauchswert bedeutet und werden vom Multi-Hull-Team zu unserem Liegeplatz gewiesen. Auch der letzte Anleger verläuft nach Lehrbuch – unser Skipper lässt sich von den von allen Seiten zugerufenen „guten Ratschlägen“ nicht beeindrucken und legt das Boot souverän an. Die Übergabe erfolgt wieder schnell und ohne Probleme, auch der obligatorische Taucher gibt grünes Licht und ehe wir uns versehen, sind wir schon ausklariert und sitzen im Taxi nach Athen, wo wir noch 2 Tage verbringen wollen, bis wir zurück nach Hause fliegen. Tageslogge: 7,8 sm. Gesamtstrecke: 148,2 sm

 

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